Niederbreitbach und das Fockenbachtal

Der Goldschatz vom Fockenbach


Aus “Im Land der Neuerburg an der Wied” von Albert Hardt 1987


Fockenbach 1
In jenen Zeiten, als die Leute noch an verborgene Schätze glaubten, sah oft der nächtliche Wanderer an einer Stelle oberhalb Niederbreitbachs im Fockenbachtal eine Kerze brennen. Jeder wußte, dass dort, wo das gelbe Flämmchen flackerte, ein Schatz vergraben sei, den man um Mitternacht heben könne. Aber keiner wagte das Abenteuer. Wohl hat sich mancher auf den Weg gemacht; kam er aber in die Nähe der wilden Stelle und schlug es erst Mitternacht auf dem Kirchturm von Waldbreitbach, so packte ihn das Grauen, und mit einer Gänsehaut auf dem Rücken lief er spornstreichs wieder heim.

Wie aber war der Schatz dorthin gekommen?

Eine alte, adelige Frau, so erzählt die Sage, wohnte mit ihrem alten Diener ganz allein auf einer wilden Burg am Rhein. Wie sie nun älter und älter wurde, da gefiel es ihr nicht mehr auf der einsamen, gewaltigen Burg. Sie verkaufte ihr Hab und Gut außer einer großen, kunstvoll geschnitzten Holzschüssel, packte das viele Gold- und Silbergeld hinein und fuhr in einer Kutsche mit dem alten Diener nach der Neuerburg, wo sie bei Verwandten ihre Tage zu Ende bringen wollte. Als sie spät in der Nacht durch das Fockenbachtal fuhren, sprangen drei Räuber aus dem Walde hervor. Der Diener vergaß allen Mut, sprang vom Bock herab und floh in den Wald. Die Räuber stürzten sich auf die alte Frau, schlugen sie tot und raubten das Geld. Sie vergruben es ganz in der Nähe, um es später abzuholen, wenn sie erst ein gutes Versteck dafür hätten. Dann warfen sie die tote Alte aus der Kutsche in den Graben und die alte Holzschüssel hinterdrein, setzten sich in die Kutsche und fuhren in scharfem Galopp davon.

Die Kerze aber war aus der Laterne gefallen und blieb an dem Ort der Untat im Boden stecken. Die Räuber kamen den vergrabenen Schatz nie abholen; denn bald darauf wurden sie gefangen und alle drei gehängt.

Einmal machten sich zwei Männer aus Niederbreitbach mit Hacke und Schippe auf den Weg, um den Schatz zu heben. Mutig wie sie waren, schritten sie durch das vom Mond schwach erhellte Tal. Als sie bald an der Stelle waren, kam eine Kutsche ohne Licht mit Galopp das Fockenbachtal herunter. Drei Männer saßen darin, jeder mit einem Strick um den Hals. Die beiden ließen die Kutsche vorbei und gingen weiter. Nun schlug es Mitternacht, und sogleich flammte die Kerze auf. Wie aber staunten sie, als sie näher kamen! Eine alte Frau saß in einer großen Holzschüssel, ließ die Beine heraushängen und rief hastig den Männern zu: “Habt ihr die Kutsche gesehen? Sie fuhren wohl sehr schnell? Aber ich werde sie wohl noch einholen!” Und sogleich begann sie, mit den Händen und Beinen rudernd, in der Schüssel sitzend, sich vorwärts zu schieben, rutschte, so schnell sie nur konnte, in dieser Weise auf den nahen Weg und schlitterte der Kutsche nach. Da ließen die Männer den Schatz liegen, wo er lag und machten sich in ihr Dorf.

So wird er wohl heute noch dort liegen, und wer auf einen verborgenen Schatz mehr hofft als auf den Fleiß seiner gesunden Arme, der mag hingehen und ihn holen.”

 

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